Bauwelt

Wohnhaus im Hinterhof in Berlin


Statt auf den nächsten Auftrag zu warten, haben Appels Architekten aus Zürich den Spieß umgedreht und sind selbst als Entwickler aufgetreten. In einem Berliner Hinterhof haben sie ein Haus mit 24 Eigentumswoh- nungen realisiert.


Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin


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    Die doppelgeschossigen Wohnungen erinnern an kleine Townhouses.
    Foto: Simon Menges

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    Die doppelgeschossigen Wohnungen erinnern an kleine Townhouses.

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    Um den Erdgeschosswohnungen Großzügigkeit zu verleihen, ist das obere Geschoss im Eingangsbereich als Galerie ausgebildet. Ein Viertel aller Wohnungen sind Maisonettes.
    Foto: Simon Menges

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    Um den Erdgeschosswohnungen Großzügigkeit zu verleihen, ist das obere Geschoss im Eingangsbereich als Galerie ausgebildet. Ein Viertel aller Wohnungen sind Maisonettes.

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    Entlang der westlichen Brandwand sind die Wohnungen nur sechs Meter tief. Die Bäder sind innenliegend; die Verkehrsfläche ist so gering wie möglich gehalten. Alle Einheiten wurden mit einem Balkon oder einer Terrasse ausgestattet.
    Foto: Simon Menges

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    Entlang der westlichen Brandwand sind die Wohnungen nur sechs Meter tief. Die Bäder sind innenliegend; die Verkehrsfläche ist so gering wie möglich gehalten. Alle Einheiten wurden mit einem Balkon oder einer Terrasse ausgestattet.

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    Ein Sonderfall im hinteren Gebäudeteil zeigt, wie ef­fizient die Fläche genutzt wurde: Die Galerie ist hier auf Erdgeschoss-Niveau und bildet eine Einheit mit dem Untergeschoss.
    Foto: Simon Menges

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    Ein Sonderfall im hinteren Gebäudeteil zeigt, wie ef­fizient die Fläche genutzt wurde: Die Galerie ist hier auf Erdgeschoss-Niveau und bildet eine Einheit mit dem Untergeschoss.

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    Der hintere Gebäudeflügel ist abgestuft; hier im zweiten Hof wurde ein Garten angelegt.
    Foto: Simon Menges

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    Der hintere Gebäudeflügel ist abgestuft; hier im zweiten Hof wurde ein Garten angelegt.

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    Abb.: Verfasser

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Liest man sich auf der Website die Projektliste des Zürcher Büros Appels Architekten durch, ist man interessiert: Wie kommt ein junges Schweizer Büro mit ein paar Wettbewerben und eher wenigen bisher realisierten Projekten – eine Lagerhalle, ein Einfamilienhaus – dazu, nur knapp außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings einen Geschosswohnungsbau zu realisieren?

Die Architektur

Das Gebäude steht unweit der Schönhauser Allee in einem Hinterhof an der Bornholmer Straße. Schon von der Straße aus weisen kleine Details darauf hin, dass im Hinterhof unlängst Architekten am Werk waren. Am Vorderhaus aus dem frühen 20. Jahrhundert, vor der Durchfahrt zum Hinterhof, hängt eine eigens entworfene Hausnummer neben einem aus V-Streben gefertigten, silberfarbenen Tor.
Dieser Teil der Bornholmer Straße, vier Autospuren, zwei Tramtrassen, liegt am nördlichen Rand des Bezirks Prenzlauer Berg, ist gut angeschlossen, aber wenig „kiezig“. Die Erdgeschosszone ist kaum belebt, die Straße laut. Tritt man in den Hof, liegt einem die Kratzputz-Fassade des Vorderhauses im Rücken, und man blickt auf die feine, makellose Fassade des Neubaus mit großen Fensterelementen aus Aluminiumrahmen und Faserzementplatten, die wie Sichtbeton erscheinen. Wo zuvor ein Parkplatz war, empfängt einen jetzt die für einen Hinterhof ungewöhnlich freundliche Atmosphäre.
Man begreift schnell, welche Herausforderungen in der Bebauung des Grundstücks lagen. Die Brandwände der beiden Nachbarn im Osten und Westen nehmen die Gebäudeform vorweg. Um möglichst viel Fläche für sinnvolle Wohnungsgrundriss zu schaffen, entschieden die Architekten sich, die Kubatur der zerstörten Vorkriegsbebauung in den Grundzügen zu übernehmen, da die S-Form städtebaulich und wegen ihrer Ausrichtung am meisten Sinn ergab. Der Schwierigkeit der Erdgeschosswohnungen – wenig Licht, zwei von ihnen an der westlichen Brandwand gelegen – begegnen sie mit sogenannten Duplexwohnungen. Sie bestimmen das Erscheinungsbild des Hauses, da die Eingänge von vier Maisonette-Wohnungen am Hof liegen. Für die Zugänge haben die Architekten ein über zwei Geschosse reichendes Fensterelement aus Holz entworfen, das außen mit natureloxierten Aluminiumschalen verkleidet ist. Das obere Geschoss, das man über eine schmale Treppe erreicht, ist zurückversetzt und als Galerie ausgebildet. Auf wenig Fläche wird so Großzügigkeit geschaffen.
Der Blick auf die Pläne lässt in den Wohnungen wiederkehrende Gestaltungselemente erkennen, aber auch, dass wegen der Rücksprünge in den oberen Geschossen und der Abtreppung des hinteren Gebäudeteils jeder Wohnungsgrundriss einzeln entworfen werden musste – von der Single- bis zur Familienwohnung. Alle Wohnungenhaben eine Terrasse oder einen großen Balkon. Die Fassade des Neubaus ist zum ersten Hof hin ab dem zweiten Obergeschoss grau verputzt, die rückseitige Fassade komplett – auf einem Wärmedämmverbundsystem mit Mineralwolle. Das schlichte Treppenhaus ist kompakt und zweckmäßig. Dafür wurde mehr Wert auf die Gestaltung des ersten Hofs und eines kleinen Gartens im zweiten Hof gelegt. Beide sollen beiläufige Treffen der Hausgemeinschaft begünstigen. Da für alle Bewohner der Weg über den ersten Hof führt, bekommt man bei der Besichtigung den Eindruck, dass das lebhaft funktioniert.

Die Projektentwicklung

„Nach drei Monaten waren fast alle Wohnungen verkauft“, berichtet Kaspar Appels, und dass es sie damals überrascht hätte – vermutlich auch erleichtert. Denn er und seine Büropartner waren nicht nur die Architekten, sondern auch die Projektentwickler des Vorhabens. Nach langjähriger Erfahrung im Architekturbüro störte Appels, dass es zwischen Planern und Bauherrn nie einen ganz offenen Umgang gäbe, der es möglich macht, die vordergründigen gegensätzlichen Interessen zu einen und positiv zu nutzen. Deshalb hat er einen Abschluss in Real Estate Management absolviert, „um einen Blick für die andere Seite zu bekommen. Die Projektentwicklung wird immer als die dunkle Seite der Architektur gesehen. Aber wenn man diese Rolle einnimmt, kann man auf ganz anderen Ebenen ein Projekt gestalten“, findet Appels.

Die Idee, selbst als Bauherr aufzutreten, wurde konkreter – und das Büro fand vor allem im Ausland Vorbilder, wie etwa das Büro Solidspace in London von Roger Zogolovitch, der auch Autor des ausverkauften Bestsellers „Shouldn’t we all be developers“ ist. Dieser sieht gerade bei kleineren, schwierigen Grundstücken, die für große Entwickler nicht lukrativ sind, Potenzial für Architekten die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
Nach erfolgloser Suche in Zürich und Süddeutschland, fanden Kaspar Appels und sein Bruder Nikolas – er ist Betriebswirt – ein solches Grundstück in Berlin: Sie stemmten die Finanzierung in Kombination mit einem Mezzaninkredit und finanzieller Unterstützung von Freunden und Verwandten. Um den Kredit zurückzuzahlen, mussten alle Eigentumswohnungen im Neubau verkauft werden. Dafür konnte das Vorderhaus mit seinen Mietern als Mietshaus mit einer klassischen Bestandsfinanzierung erhalten werden.
In Berlin waren Anfang der 2000er Jahre die Baugruppen ein Modell, den Wohnungsmarkt zu revolutionieren. Die Finanzierung wurde geteilt, die Planung durch viele Stimmen nicht einfacher, die Ergebnisse waren trotzdem architektonisch meist besser als der Durchschnitt. Man wünscht sich für die Kombination „Architekt und Entwickler in einem“ Nachahmer, im besten Fall auch für Wohnungsbauten mit erschwinglichen Mieten. Auf die Frage, ob diese Art zu arbeiten, die Finanzierung als auch die Planung zu verantworten, nicht einen enormen Druck auslöse, antwortet Kaspar Appels recht entspannt: „Haften müssen die Architekten am Ende immer.“



Fakten
Architekten Appels Architekten
Adresse Bornholmer Str. 5, 10439 Berlin


aus Bauwelt 18.2023
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