Bauwelt

Museum Lützen 1632


Das Museum von Peter Zirkel und Naumann Wasserkampf ist die jüngste Erweiterung einer der ältesten Gedenkstätten in Deutschland, die weit über die Grenzen des Landes strahlt. Mindestens bis nach Schweden.


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die einfache, von landwirtschaftlichen Zweckbauten abgeleitete Geometrie wird mit feinen Details als Kulturbau kenntlich gemacht.
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    Die einfache, von landwirtschaftlichen Zweckbauten abgeleitete Geometrie wird mit feinen Details als Kulturbau kenntlich gemacht.

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Durch die große, bündige Öffnung in der Nordostfassade ermöglicht das Ein- und Ausbringen des Hauptexponats.
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    Durch die große, bündige Öffnung in der Nordostfassade ermöglicht das Ein- und Ausbringen des Hauptexponats.

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Im Foyer ist die Geschichte des Erinnerns präsent: Schinkel überdachte den gleich nach der Schlacht gesetzten Findling ...
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    Im Foyer ist die Geschichte des Erinnerns präsent: Schinkel überdachte den gleich nach der Schlacht gesetzten Findling ...

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... mit einem Baldachin, Im 20. Jh. entstanden die Kapelle und später zwei Holzhäuser.
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    ... mit einem Baldachin, Im 20. Jh. entstanden die Kapelle und später zwei Holzhäuser.

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Am Ende des Foyers öffnet sich im ersten Ausstellungsraum ein Fenster auf das Schlachtfeld, ...
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    Am Ende des Foyers öffnet sich im ersten Ausstellungsraum ein Fenster auf das Schlachtfeld, ...

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... der Blick zurück verbindet diesen Eindruck mit dem Ort des Gedenkens an die Schlacht.
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    ... der Blick zurück verbindet diesen Eindruck mit dem Ort des Gedenkens an die Schlacht.

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Hauptausstellungsraum ...
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Hauptausstellungsraum ...

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... im Untergeschoss wirkt wie ein Sakralraum, ...
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    ... im Untergeschoss wirkt wie ein Sakralraum, ...

    Foto: Till Schuster

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... mit dem Grabfund als „Altar“.
    Foto: Till Schuster

    • Social Media Items Social Media Items
    ... mit dem Grabfund als „Altar“.

    Foto: Till Schuster

1632 – die Zahl im Namen des im November letzten Jahres eröffneten Museums im sachsen-anhaltinischen Ort Lützen, knapp zwanzig Kilometer südwestlich von Leipzig, ist eine Jahreszahl. Im November jenes fast vier Jahrhunderte zurückliegenden Jahres tobte auf den Feldern rechts und links der Via Regia – heute die Bundesstraße 87 – eine der heftigsten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges; eine von vier in Mitteldeutschland ausgetragenen. Rund 9000 Soldaten verloren bei jenem Aufeinandertreffen des katholischen und des protestantischen Heers ihr Leben; ihre Leichname wurden anschließend geplündert und von den Bauern der umliegenden Dörfern in Massengräbern verscharrt. Nur einem wurde ein anderes Schicksal zuteil: Neben all den anonymen Söldnern war auch Gustav II. Adolf in dieser Schlacht gefallen. Der schwedische König hatte auf sei­-nem Ross die Orientierung verloren im Nebel und war in die Reihen von Wallensteins kaiserlichen Truppen geraten. Sein Körper wurde später von schwedischen Soldaten geborgen und nach Stockholm überführt, wo er in der Ryddarholmskyrkan beigesetzt wurde. „Im Nebel von Lützen“ ist noch heute ein geflügeltes Wort in Schweden, wenn jemanden ein Unglück ereilt.
Das neue Museum ergänzt den Ort des Gedenkens, der hier schon kurz nach dem Ereignis entstand und sich im Laufe der Jahrhunderte weiterentwickelt hat. Den großen Findling, der zum Gedenken an den protestanischen Heerführer kurz nach der Schlacht aufgestellt worden war, ergänzten später steinerne Sitzbänke und, seit 1837, ein gusseiserner Baldachin, entworfen von Karl Friedrich Schinkel. Hinter diesem entstand 1906 dann eine Kapelle im wuchtigen Stil der nordischen Nationalromantik, gestiftet vom schwedischen Konsul Oskar Ekman und seiner Frau Maria und geplant vom ebenfalls schwedischen Architekten Lars Israel Wahlman; 1932, nach Gründung der Stiftelsen Lützenfonden in Göteborg, kam noch ein Holzhaus von typisch schwedischer Anmutung hinzu, in dem bis zum Mauerbau der „Aufseher“ der Gedenkstätte wohnte. Die hohen Bäume, die heute die Besucherinnen und Besucher empfangen, vervollständigen diesen Wallfahrtsort des politischen Protestantismus, eine der ältesten Gedenk­stätten in Deutschland. Brauchte dieser Ort unbedingt eine bauliche Ergänzung?
Gestalterisch vielleicht nicht. Doch dient der Neubau des Museums der Präsentation eines spektakulären Fundes: 2011 wurde gleich neben der Straße ein Grab mit 47 Skeletten entdeckt – trotz der Tausenden Toten konnte bislang kein anderes Grab gefunden werden. Das ist umso überraschender, als das einstige Schlachtfeld, rund drei Quadratkilometer groß, nie überbaut worden ist; steht man an einem nebligen Herbst- oder Wintertag an der Straße, kann man die Landschaft genauso wahrnehmen, wie einst die beiden Heere sie gesehen haben. Einen ähnlich ungestörten Befund von vergleichbarem wissenschaftlichen Potenzial hatte es bis dahin in Europa nicht gegeben – anhand dieser Skelette konnten etliche persönliche Hintergründe wie Alter, Ernährung, Gesundheitszustand und sogar Herkunft der Toten festgestellt und so ihrer Anonymität zumindest ein wenig entrissen werden. Das 3,5 auf 4,6 auf 1 Meter große und 54 Tonnen schwere Grab wurde in zwei Blöcken geborgen und für die Untersuchung in die Landeshauptstadt Halle transportiert. Im dortigen Archäologischen Museum sowie in Wien wurde es in der Ausstellung „Krieg“ der Öffentlichkeit präsentiert, sollte danach aber nach Lützen zurückkehren. 2017 wurde der Wettbewerb für das Ausstellungsgebäude ausgelobt, den die Arbeitsgemeinschaft des Dresdner Büros Peter Zirkel Architekten und des Weimarer Büros Naumann Wasserkampf gewann. Bauherrin war die Stadt Lützen, finanziert aber wurde der Bau zu neunzig Prozent vom Land Sachsen-Anhalt und zu zehn Prozent vom Burgenlandkreis – die Stadt Lützen ist als Eigentümerin „nur“ für den Betrieb zuständig. Das reicht freilich schon aus, um den Zorn eines Teils der Bürger zu erregen – man könnte das Geld doch so viel sinnvoller ausgeben als für ein Kultur- bzw. Geschichtsprojekt wie dieses!
Das Team hatte sich entschieden, das Ausstellungsgebäude am Rand des Gedenkstättengrundstücks zu platzieren, vor dem Parkplatz, der sich nördllich davon vor dem beliebten Streichelzoo erstreckt. Zum Gedenkort „verneigt sich“ das Gebäude mit der niedrigen Traufe seines hohen Pultdachs, zum Parkplatz ragt die Wand unter dem First wie ein „Billboard“ in die Höhe. Die Anmutung des einfachen Volumens ist auf den ersten Blick eher die eines landwirtschaftlichen Nutzbaus denn eines repräsenta­tiven öffentlichen Gebäudes. Beim Nähertreten allerdings fallen die minimalistischen Details und die Materialität ins Auge – Stall oder Scheune kann das nicht sein, das dürfte das Publikum rasch merken. Monolithisch und fugenlos aus Beton gegossen sind die Wände, das Fensterband unter dem First sitzt bündig darauf, die Fenster- und Türöffnungen bündig darin: Man sieht, dass das Planungsteam an den wenigen Details mit Sorgfalt ans Werk gegangen ist. Die Reduktion ergibt eine fast graphische Präsenz – das Gebäude ist quasi sein eigenes Logo. Apropos Beton: Aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen kamen verschiedene Betone zur Anwendung, die anschließend mit einer Lasur einander angeglichen wurden – für einen Baukons­truktionslehrstuhl ein passendes Reiseziel, um das Nebeneinander von Leichtbeton (für die 75 Zentimeter dicken Wände), WU-Beton (für das im sumpfigen Gelände eingelassene Untergeschoss) und Beton mit hoher Viskosität (für das Pultdach) studieren zu können.
So einfach wie das Äußere zeigt sich die innere Konzeption: Während das Erdgeschoss mit der Glasfassade des Foyers den Gedenkort ins Innere holt und mit einem Fenster in der Giebelwand Aussicht auf das Schlachtfeld bietet, wirkt das Untergeschoss wie ein Sakralraum: Das aufgedeckte Grab steht wie ein Altar senkrecht vor der Nordwand dieser „Stufenhallenkirche“, durch das Fensterband unter dem First in zwölf Meter Höhe fällt Streiflicht auf die Betonwände, der Blick kann in den Himmel schweifen; in den „Seitenschiffen“ und den Skeletten gegenüber werden Hintergründe zu den Gefallenen, zu den Heerführern und zum Verlauf der Schlacht erzählt. Das Museum, es ist auch ein Gedenkort, und angesichts der heute tobenden Kriege darf man es getrost auch als Mahnmal begreifen.



Fakten
Architekten Peter Zirkel Architekten, Dresden; Naumann Wasserkampf Architekten, Weimar
Adresse Dr.-Bengt-Hellekant-Platz, 06686 Lützen



Artikel als pdf

0 Kommentare


loading
x

5.2025

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.