Bauwelt

Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin


Die ARGE aus Kim Nalleweg Architekten und Trujillo Moya Architektur hat für die Rosa-Luxemburg-Stiftung ein Haus gebaut. Dank strikter Gestaltungsprinzipien entstand trotz engem Kostenrahmen und dichtem Raumprogramm ein überzeugendes Bürogebäude.


Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin


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    Vor den historischen Backsteinbauten auf dem Areal des ehemaligen Postbahnhofs haben die Architekten einen modernen 32,5 Meter hohen Ziegelbau errichtet.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Vor den historischen Backsteinbauten auf dem Areal des ehemaligen Postbahnhofs haben die Architekten einen modernen 32,5 Meter hohen Ziegelbau errichtet.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Kein Dekor, auch wenn es einen Betonkosmetiker brauchte, um die Xe in dieser Qualität zu realisieren.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Kein Dekor, auch wenn es einen Betonkosmetiker brauchte, um die Xe in dieser Qualität zu realisieren.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Stützen sind Teil eines Vierendeelträgers und nehmen die Last der Hochhausscheibe auf.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Stützen sind Teil eines Vierendeelträgers und nehmen die Last der Hochhausscheibe auf.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Das einzige bis ins 8. Obergeschoss durchgehende Treppenhaus ist zugleich Fluchtweg.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Das einzige bis ins 8. Obergeschoss durchgehende Treppenhaus ist zugleich Fluchtweg.

    Foto: Philipp Obkircher

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    In den Büro­räumen liegt statt der ansonsten allgegenwärtigen Fliesen ein Kugelgarnteppich.
    Foto: Philipp Obkircher

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    In den Büro­räumen liegt statt der ansonsten allgegenwärtigen Fliesen ein Kugelgarnteppich.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Das Foyer rahmt den teil­baren großen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Das Foyer rahmt den teil­baren großen Veranstaltungssaal im Erdgeschoss.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Fenster dienen auch als Schaukästen für Ausstellungen.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Fenster dienen auch als Schaukästen für Ausstellungen.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Farbwahl liegt auf der Hand: Es ist die Partei-Farbe Der Linken und soll Bezug nehmen auf den roten Schutzanstrich von Indus­triebauten. Die Terrassen sind im Prinzip der einzige nutzbare Außenraum der Stiftung.
    Foto: Philipp Obkircher

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    Die Farbwahl liegt auf der Hand: Es ist die Partei-Farbe Der Linken und soll Bezug nehmen auf den roten Schutzanstrich von Indus­triebauten. Die Terrassen sind im Prinzip der einzige nutzbare Außenraum der Stiftung.

    Foto: Philipp Obkircher

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    Nur im 1. Obergeschoss sind die X-Stützen auch aus dem Innenraum wahrnehmbar ...
    Foto: Philipp Obkircher

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    Nur im 1. Obergeschoss sind die X-Stützen auch aus dem Innenraum wahrnehmbar ...

    Foto: Philipp Obkircher

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    ... und unterstreichen dort einmal mehr den rauen Ausbau Charme der Innenräume.
    Foto: Philipp Obkircher

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    ... und unterstreichen dort einmal mehr den rauen Ausbau Charme der Innenräume.

    Foto: Philipp Obkircher

Es ist weder das höchste noch das größte Gebäude in seinem Umfeld – und dennoch fällt es schon aus der Ferne ins Auge. Knallrot, mit auffälligen X-Stützen steht es an der S-Bahntrasse inmitten des Entwicklungsgebiets „Spreeraum“. Ein Areal, auf das man ein bisschen wehmütig schaut. Es erstreckt sich im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von der Jannowitzbrücke im Westen bis zur Elsenbrücke im Osten, begrenzt vom Bahnviadukt im Norden und der Köpenicker bzw. Schlesischen Straße im Süden. Dazwischen fließt die Spree. Das Gebiet im ehemaligen Grenzraum zwischen dem Ost- und dem Westteil der Stadt wandelt sich zu einer Art „Freizeitmeile“ mit Konzerthallen, Shoppingmall, Schnellrestaurants, Hotels und Unternehmenszentralen, erdacht als eine Art städtebauliches Bindeglied. Insbesondere zwischen Ostbahnhof und Warschauer Straße ist es geprägt von dem, was man umgangssprachlich Investorenarchitektur nennt, wobei die Liste namhafter Architekturbüros, die hier gebaut haben oder noch dabei sind zu bauen, nicht zu verachten ist. Wer hierherkommt, tut dies gezielt: zum Arbeiten in einem der Zalando-, Mercedes- oder sonstigen Bürobauten oder zum Besuch einer Großveranstaltung. Die Erdgeschosszone ist kaum mit Nutzungen des öffentlichen Lebens belegt worden. Der einzige „Platz“ im Viertel ist der Mercedes-Platz vor der gleichnamigen Arena, der von Reklametafeln immer hell erleuchtet wird. So sehr lange werden hier keine Kräne mehr stehen müssen: Die meisten „Landmarks“ erreichen bald ihren Zenit, darunter ein von BIG entworfener Turm mit einer geplanten, unvorstellbaren Höhe von 140 Metern.
Bei der Besichtigung des Neubaus mit der Architektin und den Architekten, die sich für dieses Projekt in einer ARGE zusammengefunden haben – Kyung-Ae Kim-Nalleweg, Max Nalleweg und César Trujillo Moya – berichtet der Bauherrenvertreter wenig überraschend erstmal von der absurden Wertsteigerung des direkten Umfelds. Um die Nachbarschaft zu greifen, in die sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung als öffentliche, poli­tische Einrichtung bewusst begeben hat. Sie ist eine von sechs parteinahen Stiftungen in Deutschland, wurde 1990 gegründet und steht der Partei Die Linke nahe.
2014 wurden ihr Bundesmittel für einen Neubau zugesichert; schon 2013 hatte sie sich um ein Grundstück bemüht. Die Entscheidung fiel auf die Fläche an der Straße der Pariser Kommune, die Teil des ehemaligen Postbahnhofs ist. Neben der guten Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz schätzte der Bauherr das histo­rische Umfeld mit den Packhallen, die als Relikt des ehemals industriell geprägten Arbeiterbezirks noch erhalten sind.
2016 wurde der offene, 2-phasige Architekturwettbewerb für den Stiftungsbau mit 155 Ein­reichungen eindeutig mit einem ersten Preis und keinem zweiten Preis entschieden. Die jungen Architekten überzeugten mit ihrem Entwurf eines breiten Sockels für öffentliche Nutzungen und darüberstehender, schmaler Hochhausscheibe für Büroräume, die von prägnanten X-Stützen getragen wird. Und natürlich mit den großen Terrassen.
Das Wettbewerbskonzept findet sich so im fertigen Haus umgesetzt wieder: Der eingeschossige Sockel erstreckt sich fast über das gesamte Grundstück. In dessen Mitte liegt der stützenfreie, vier Meter hohe Veranstaltungssaal, der mit mobilen Raumteilern in drei kleinere Räume unterteilt werden kann. Die Architekten hätten diesen gern mit gläsernen Wänden vom umlaufen Foyer getrennt, um so das stützenfreie Geschoss erfahrbar zu machen, denn die Last der Hochhausscheibe wird von Trägern abgefangen, die man durch den abgehängten Gitterrost an der Decke erkennt. Man kann diesen Wunsch gut nachvollziehen. Stattdessen wurde eine nichttragende Kalksandsteinwand eingezogen, in der auch die vom Foyer aus zugängliche Garderobe integriert wurde.
Schon am schmalen, umlaufenden Foyer wird deutlich, dass mit Raum nicht verschwenderisch umgegangen wurde. Vielmehr wurde versucht, aus jeder Baumaßnahme das größtmögliche Nutzungspotenzial zu erzielen: Die großen Fenster im Foyer sind mit Sitzbänken versehen und dienen auch als Schaukästen für die Stiftung. Die eingestellte Trennwand zum Veranstaltungssaal ist Verdunklung und Garderobe in einem, das Treppenhaus Erschließung und Fluchtweg. Eine Reaktion auf den engen Kostenrahmen und das dichte Raumprogramm.
Die Stringenz in der Gestaltung, die man schon von außen auf den ersten Blick wahrnimmt, setzt sich mit der reduzierten Materialwahl im Innenraum fort. Sichtbeton, Holzfenster, am auffälligsten: der rote Boden aus Klinkerfliesen, der sich, abgesehen vom Teppichboden in der Bibliothek und den Büroräumen, durch das gesamte Gebäude zieht. Selbst an den Wänden der Sanitärräume findet man die Klinker. Nichts wird versteckt. Technische Installationen sind offen geführt. Alle zusätzlichen Ausstattungselemente wie Schalter, Steckdosen, Türen, Lampen setzen sich in schwarz ab. Natürlich sind auch die X-Stützen, wie man vielleicht vermuten könnte, kein Dekor, sondern außenliegendes Tragwerk als Teil von Vierendeelträgern mit sich kreuzenden Stützen. Ober- und Untergurt liegen hinter der Fassade. Die X-Stützen bilden einen starken Kontrast zur restlichen Fassade. Gerade dadurch wird eine Spannung erzeugt, die die vermeintliche Einfachheit der Scheibe im doppelten Sinne zum Tragen bringt. Hinter der umlaufenden X-Reihe im ersten Geschoss liegen die Bibliothek und zwei Besprechungsräume an den Kopfseiten – und man gelangt auf die beiden Dachterrassen auf Höhe der Bahntrasse.
Hier entspringt quasi die Hochhausscheibe. Ihre Fassade hat ein minimales Streifenrelief auf Höhe der bündig sitzenden, aluminiumverklei­deten Fensterbänder. Der industriell gefertigte, glatte Ziegel verleiht der Fassade trotz des eher einfachen Materials eine schlichte Eleganz. Dort, wo die zwei Erschließungskerne sitzen, ist die Fassade geschlossen. Hier kann die Stiftung mit Plakaten zu ihrer Arbeit in den Außenraum strahlen. Es entstehen unweigerlich Assoziationen zu Verwaltungsbauten der 60er- und 70er-Jahre, wobei die strenge, gradlinige Ausführung und der Bruch mit den X-Stützen das Gebäude eindeutig in der Gegenwart verorten. Für die Büroräume hatte der Nutzer zwei Wünsche: Fenster, die sich öffnen lassen, kein Großraumbüro. Es wurden 599 Fenster im gesamten Haus verbaut. Die Konstruktion mit drei Flügeln ermöglicht einen angemessenen Schutz vor dem Lärm des Verkehrs und der Bahntrasse. Außerdem ließ sich so der Sonnenschutz, zwischen den Flügeln sitzend, wartungsarm integrieren. An langen Fluren liegen die Büroräume. Sie sind klein, mit ein oder zwei Arbeitsplätzen. Zusätzlich gibt es Gruppenräume. Mit der kleinteiligen Struktur geht die Offenheit der unteren Geschosse naturgemäß etwas verloren. Dank der umlaufenden Fenster bleibt von überall der weite Blick auf das heterogene Stadtgefüge, in das die Architekten selbstbewusst einen modernen Solitär gesetzt haben.



Fakten
Architekten ARGE Kim Nalleweg Architekten + Trujillo Moya Architektur, Berlin
Adresse Str. der Pariser Kommune 8A, 10243 Berlin


aus Bauwelt 9.2022
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