Bauwelt

Umlauftank II in Berlin


Mit der Sanierung von Ludwig Leos Umlauftank II am Berliner Tiergarten wagen sich die Wüstenrot Stiftung und das Architekturbüro hg merz an ein architektonisch herausragendes, funktional hoch spezialisiertes Gebäude


Text: Harbusch, Gregor, Zürich


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    Foto: Philipp Lohöfener

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    Vor der Sonneneinstrahlung geschützte Bereiche des Äußeren zeigen noch heute die ursprünglich kräftige Farbgebung

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    Im Inneren hat die originale Substanz weitgehend und in gutem Zustand überdauert
    Foto: Philipp Lohöfener

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    Im Inneren hat die originale Substanz weitgehend und in gutem Zustand überdauert

    Foto: Philipp Lohöfener

In kräftigem Rosa und Blau markierte der extravagante und monumentale Umlauftank auf der Schleuseninsel direkt an der Straße des 17. Juni einst den Überlebenswillen Westberlins. Er ist nicht nur ein Kind der Subventionspolitik und der Wissenschaftsförderung in der Frontstadt des Kalten Kriegs, sondern auch international eines der aufregendsten Gebäude der Boomjahre vor der ersten Ölkrise. Die Anlage wurde vom Wasserbauingenieur Christian Boës für die Versuchsanstalt für Wasserbau und Schiffbau VWS entwickelt und ermöglicht anspruchsvolle schiffstechnische Modellversuche in einem steten Wasserstrom. In der 120 Meter langen, rosafarbenen Ringrohrleitung befinden sich 3500 Kubikmeter Wasser, die von einem 3,5 Meter durchmessenden Propeller bewegt werden. Die blaue Laborhalle ist um die eigentliche Messstrecke der Ringrohrleitung herum gebaut, in der die Modelle fixiert und anschließend untersucht werden. Der Architekt Ludwig Leo (1924–2012) wurde im Herbst 1967 in die Planungen einbezogen und übernahm die künstlerische Oberleitung. Er entwickelte für die prestigeträchtige, 1974 offiziell eröffnete Hightech-Maschine eine reduzierte und dennoch assoziationsreiche architektonische Form, die an den damals wiederentdeckten russischen Konstruktivismus, an den zeitgenössischen Rationalismus und an die ästhetischen Strategien der Pop-Art denken lässt. Leos Entwurf zeugt von den Möglichkeiten des architektonischen Entwerfens im Spannungsfeld von strikten funktionalen Bedingungen, vergleichsweise begrenzten Handlungsmöglichkeiten und komplexen Formvorstellungen.
Die Umlauftank ist weder per se veraltet, noch funktioniert er nicht mehr, auch wenn dies in den letzten Jahren immer wieder zu hören war. Er wurde über die Jahrzehnte kontinuierlich aber zunehmend seltener genutzt, zuletzt meist durch externe Forschungs- und Entwicklungsteams. Nach 1990 wurde die traditionsreiche VWS – die ihre Wurzeln im Schiffsbau des wilhelminischen Militarismus hatte – abgewickelt. Betreiberin des Umlauftanks ist seither die TU Berlin, Besitzerin das Land Berlin. Auf unverbindlicher Ebene wurden immer wieder Projekte für neue Nutzungen des Gebäudes konzipiert, doch erst durch das Engagement der Ludwigsburger Wüstenrot Stiftung hat sich für das Haus eine tragbare Perspektive eröffnet. Die Stiftung betreibt seit vielen Jahren ein renommiertes Denkmalprogramm, in dessen Zuge bereits wichtige Bauten der Moderne saniert wurden, zuletzt Hans Scharouns Geschwister-Scholl-Schule in Lünen (Bauwelt 25. 2013). Sie hat das Projekt angeschoben, alle Beteiligten an einen Tisch gebracht und leitet die begonnenen Sanierungsarbeiten als Bauherrin. Auch die Kosten von insgesamt 3,5 Millionen Euro werden von der Stiftung getragen.
Von vornherein war es der Wüstenrot Stiftung nicht um eine technische Modernisierung der Anlage gegangen, sondern um deren denkmalgerechten Erhalt. Ein entscheidender Faktor war hierbei die Nutzungsfrage, für die eine im Sinne des Denkmalschutzes optimale Lösung gefunden worden ist – nämlich die Weiternutzung der Anlage und ihre dezidierte Reaktivierung für Forschung und Lehre an der TU Berlin. Nutzer werden die vier Institute Dynamik Maritimer Systeme, Entwurf Maritimer Systeme, Fluidsystemdynamik und Experimentelle Strömungsmechanik sein. Auf dieses Nutzungskonzept hat sich die TU für zwanzig Jahre vertraglich verpflichtet. Längerfristig wird zwar eine Erneuerung der Maschinenanlagen notwendig sein, doch deren Alter ist im Moment kein wesentliches Problem. Entscheidend für die Untersuchungen an den Modellen ist die Messtechnik – die wurde jedoch schon immer von den Forschern selbst mitgebracht und nach Bedarf installiert. Neben der Reaktivierung der Forschungstätigkeit sollen auch die Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit und die Möglichkeiten für Veranstaltungen verbessert werden. Indem die Oberlichter im Dach der Laborhalle als automatische Entrauchungsöffnungen angelegt werden und das Haupttreppenhaus einen direkten Ausgang ins Freie bekommt, werden gelegentliche Einzelveranstaltungen möglich.
Insbesondere im Inneren ist die Substanz hervorragend überliefert; auch die oftmals als irritierend wahrgenommene Trockenbauwand auf Deck 3 ist Originalbestand. Hinter ihr liegen die sogenannten Auswerträume, in denen an feuchtigkeitsempfindlichen Apparaten und Computern gearbeitet wurde. Die wenigen späteren Umbauten werden rückgebaut. Neben einigen kleineren technischen Erneuerungen genügt in weiten Teilen eine Grundreinigung der Oberflächen und ein behutsames Ausbessern einzelner Fehlstellen. Von der orangenen Tuchbespannung der Geländer fand sich sogar noch original verpackter Ersatz – samt Waschanleitung.
Die größten Herausforderungen der Sanierung sind die rosa gestrichene Isolierung der Ringrohrleitung aus PU-Schaum und die blauen Sandwichplatten der Laborhalle, die ebenfalls mit PU-Schaum gefüllt sind. Auch wenn das methodische Instrumentarium der Denkmalpflege grundsätzlich greift, so sehen sich die Planer mit den speziellen Herausforderungen eines nur vierzig Jahre alten Industriebaus konfrontiert, der hauptsächlich aus Stahl und PU-Schaum besteht. Insbesondere das längerfristige Verhalten des verbauten Schaums ist schwer einzuschätzen. Man entschied sich für eine möglichst umfassende Bewahrung des originalen Materials, auch wenn andere Lösungen möglich gewesen wären. So werden beispielsweise die blau-en Platten in fast identischer Form weiterhin von der Firma Hoesch produziert. Da siebzehn Prozent der Platten wegen Asbestbelastung ausgetauscht und dreizehn Prozent wegen starker Durchrostung reparaturbedürftig sind, stellte sich die grundsätzliche Frage, ob man alle Plat-ten der Laborhalle komplett ersetzen soll. Hoesch bietet enzianblaue Platten an, die dem originalen Bestand weitgehend ähneln. Im Sinne industrialisierten Bauens, kostengünstigen und konsequenten Vorgehens sowie langfristiger Haltbarkeit und Farbechtheit wäre ein kompletter Austausch also denkbar gewesen. Man entschied sich dagegen und wird den mühsameren Weg gehen, die Platten nur dort auszuwechseln oder zu reparieren, wo dies notwendig ist. Anschließend werden alle Platten gesäubert und einheitlich in dem durch restauratorischen Befund bestimmten, originalen blauen Farbton lackiert.
Bei der Isolationsschicht der Ringrohrleitung stellten sich ähnliche Fragen, doch war die Ausgangslage anders, denn durch das manuell ausgeführte Aufspritzen des Schaums bildet sich hier der historische Arbeitsprozess ab. Die Planer sehen sich mit Rissen, Ausbrüchen und Wassereinschlüssen konfrontiert. Außerdem hat sich die Schaumschicht über die Jahre teilweise vom Rohr abgelöst, und das Rohr hat an diesen Stellen zu rosten begonnen. Weder bei der Durchfeuchtung des Schaums noch bei dessen Ablösung vom Rohr konnte ein regelmäßiges Muster festgestellt werden. Doch bautechnische Untersuchungen ergaben, dass der Rost das Rohr nur unerheblich angegriffen hat. Der Schaum erfüllt seine Dämmfunktion zwar eingeschränkt, aber noch ausreichend. Es gab also keine Gründe für radikale Eingriffe. Die Planer entschieden sich für ein sehr vorsichtiges, punktuelles Reparieren. Auch manche Wassereinschlüsse wird man akzeptieren, denn eine vollständige Entwässe- rung und ein anschließendes Trocknen des Schaums sind technisch nicht machbar. Oberflächliche Risse wird man ausschleifen, Ausbrüche und Löcher als Vierung komplett ausschneiden. Anschließend werden die Fehlstellen durch neu aufgespritzen Schaum ausgeglichen. Ähnlich wie bei den Platten ist auch bei der Ringrohrleitung ein Schutzanstrich erforderlich. Planer und Denkmalpfleger einigten sich darauf, dass auch hier die originale, durch Befund ermittelte rosa Farbe verwendet wird.
Im Umgang mit Platten und Schaum zeigt sich eine denkmalpflegerische Haltung, die möglichst wenig in die Substanz eingreift und auf eine behutsame Reparatur zielt. Der Anstrich hat dabei doppelte Funktion. Die Farbe fungiert als Schutzschicht und ermöglicht den Erhalt des historischen Materials. Zugleich hat man sich für ihre Erneuerung ausgesprochen, um die farbliche Präsenz des Gebäudes wieder herzustellen. Im Endeffekt zeigt sich das Projekt als eine vorsichtige Annäherung an die denkmalpflegerischen Herausforderungen des industrialisierten Bauens und als ausgewogener Kompromiss zwischen Materialerhalt und Erneuerung der Oberflächen. Inwiefern der PU-Schaum auf der Ringrohrleitung und in den Platten die nächsten Jahrzehnte gut überdauert, wird sich zeigen.
Das Sanierungsvorhaben ist aber auch für den Erhalt von Ludwig Leos Werk insgesamt ein großer Glücksfall – alle anderen seiner nicht eben zahlreichen Bauten wurden mehr oder weniger stark verändert. So robust und monumental der Umlauftank auch wirken mag, so fragil ist doch das konzeptionelle Beziehungsgefüge der drei entscheidenden Faktoren Funktion, Form und Farbe. Die Wiederherstellung der Farbigkeit und die weitere Nutzung der Maschine sind deshalb die beiden entscheidenden Aspekte des Sanierungsprojekts, durch die der Umlauftank entsprechend Ludwig Leos architektonischer Intention und als aktiv genutzte Anlage neu erfahrbar gemacht wird.



Fakten
Architekten Leo, Ludwig (1924-2012); hg merz, Berlin
Adresse 52°30'45.1"N 13°20'00.3"E


aus Bauwelt 5.2015
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