Jeder Architekt in China hat ein Museum im Portfolio
Eduard Kögel, Kurator der Aedes-Ausstellung „16 chinesische Museen, 15 chinesische Architekten“, über die Vorzüge kitschiger Ölgemälde, den Hunger der chinesischen Mittelklasse nach Kultur – und das Missverständnis, die Globalisierung sei eine kreative Einbahnstraße
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Jeder Architekt in China hat ein Museum im Portfolio
Eduard Kögel, Kurator der Aedes-Ausstellung „16 chinesische Museen, 15 chinesische Architekten“, über die Vorzüge kitschiger Ölgemälde, den Hunger der chinesischen Mittelklasse nach Kultur – und das Missverständnis, die Globalisierung sei eine kreative Einbahnstraße
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Herr Kögel, Ihre Ausstellung eröffnet mit einer Wand voller Ölbilder aller Museen, die Sie vorstellen. Gemälde sieht man selten bei Aedes.
Hätten wir die Fotos der 16 Projekte nebeneinander an der Wand gezeigt – das hätte eine zu gewaltige Präsenz entwickelt, weil die Fotografen jeweils eine wahnsinnige Monumentalität inszenieren. So haben wir die Fotos per E-Mail einem Handwerksmeister aus Dafen geschickt; in Dafen gibt es 40.000 solcher Handwerker, die fünf Millionen Ölgemälde im Jahr produzieren. Der Maler hat sein Tablet neben die Staffelei gelegt und die Motive in Öl abgepinselt. Diese etwas kitschige Handwerklichkeit hat alle Projekte, so unterschiedlich sie sind, auf ein ähnliches Niveau gebracht. Und durch die enge Hängung sticht keines über die anderen heraus.
Hätten wir die Fotos der 16 Projekte nebeneinander an der Wand gezeigt – das hätte eine zu gewaltige Präsenz entwickelt, weil die Fotografen jeweils eine wahnsinnige Monumentalität inszenieren. So haben wir die Fotos per E-Mail einem Handwerksmeister aus Dafen geschickt; in Dafen gibt es 40.000 solcher Handwerker, die fünf Millionen Ölgemälde im Jahr produzieren. Der Maler hat sein Tablet neben die Staffelei gelegt und die Motive in Öl abgepinselt. Diese etwas kitschige Handwerklichkeit hat alle Projekte, so unterschiedlich sie sind, auf ein ähnliches Niveau gebracht. Und durch die enge Hängung sticht keines über die anderen heraus.
Was haben die Architekten dazu gesagt?
Keiner hat sich direkt beschwert, begeistert waren sie aber zunächst nicht. Doch als sie es hier gesehen haben, waren sie ganz glücklich damit.
Keiner hat sich direkt beschwert, begeistert waren sie aber zunächst nicht. Doch als sie es hier gesehen haben, waren sie ganz glücklich damit.
4000 Museum sind in den letzten 15 bis 20 Jahren in China entstanden. Weshalb dieser Boom?
Die Mittelklasse ist in den letzten Jahren extrem gewachsen. Und diese Mittelklasse fordert einen kulturellen Mehrwert ein. Developer, die eine Wohnanlage bauen, bauen zuerst ein Museum, ein Theater oder eine Oper. Sie signalisieren damit: Wir tun etwas für die Kultur. Da geht es um das Symbol. Was später genau in das Museum rein kommt, spielt zunächst keine Rolle. Auf der einen Seite gibt es also den Druck aus der Bevölkerung, die mehr Freizeit hat und wissensdurstig ist. Auf der anderen Seite gibt es genügend Geld, um zumindest die kulturelle Infrastruktur fertigzustellen. Den dauerhaften Betrieb eines Museums zu gewährleisten – das ist eine ganz andere Herausforderung. Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, die waren einhellig der Meinung, dass nur die Hälfte dieser Museen überleben wird.
Die Mittelklasse ist in den letzten Jahren extrem gewachsen. Und diese Mittelklasse fordert einen kulturellen Mehrwert ein. Developer, die eine Wohnanlage bauen, bauen zuerst ein Museum, ein Theater oder eine Oper. Sie signalisieren damit: Wir tun etwas für die Kultur. Da geht es um das Symbol. Was später genau in das Museum rein kommt, spielt zunächst keine Rolle. Auf der einen Seite gibt es also den Druck aus der Bevölkerung, die mehr Freizeit hat und wissensdurstig ist. Auf der anderen Seite gibt es genügend Geld, um zumindest die kulturelle Infrastruktur fertigzustellen. Den dauerhaften Betrieb eines Museums zu gewährleisten – das ist eine ganz andere Herausforderung. Wir haben mit vielen Leuten gesprochen, die waren einhellig der Meinung, dass nur die Hälfte dieser Museen überleben wird.
Sie stellen Kunstmuseen vor, ein Papiermuseum, ein Geschichtsmuseum, einen Gedenkort für Erdbebenopfer. Wie haben Sie ausgewählt?
Das ist nicht einfach gewesen, denn im Grunde hat jedes Büro in China heute ein Museum im Portfolio. Wir haben vor allem darauf geachtet, verschiedene Strategien für ein Museum vorzustellen – zuvorderst die Frage: Was kann eine solche Institution für ihr Umfeld leisten?
Das ist nicht einfach gewesen, denn im Grunde hat jedes Büro in China heute ein Museum im Portfolio. Wir haben vor allem darauf geachtet, verschiedene Strategien für ein Museum vorzustellen – zuvorderst die Frage: Was kann eine solche Institution für ihr Umfeld leisten?
„16 chinesische Museen, 15 chinesische Architekten“ heißt die Ausstellung. Eines der Museen hat keinen Architekten?
Ja, das haben Wanderarbeiter, die in einem Vorort von Peking leben, mit Hilfe einer NGO selber gemacht. Der Ort hat tausend Einwohner und 25.000 Wanderarbeiter, die dort temporär leben. Die dokumentieren mit dem Museum, wie sie in die Stadt gekommen sind. Sie wollen ihre Geschichte für die Nachwelt erhalten, in erster Linie für ihre Kinder aber auch für sich selbst. Es gibt ein Identitätsproblem: Wenn man die Leute fragt, wo sie hingehören, nennen sie ihren Geburtsort; gleichzeitig sagen sie aber: „Ach so, eigentlich bin ich ja in Peking“. Dieses unklare Verhältnis versuchen sie mit dem Museum zu bearbeiten.
Ja, das haben Wanderarbeiter, die in einem Vorort von Peking leben, mit Hilfe einer NGO selber gemacht. Der Ort hat tausend Einwohner und 25.000 Wanderarbeiter, die dort temporär leben. Die dokumentieren mit dem Museum, wie sie in die Stadt gekommen sind. Sie wollen ihre Geschichte für die Nachwelt erhalten, in erster Linie für ihre Kinder aber auch für sich selbst. Es gibt ein Identitätsproblem: Wenn man die Leute fragt, wo sie hingehören, nennen sie ihren Geburtsort; gleichzeitig sagen sie aber: „Ach so, eigentlich bin ich ja in Peking“. Dieses unklare Verhältnis versuchen sie mit dem Museum zu bearbeiten.
Wanderarbeiter sind keineswegs Mittelklasse.
Das mag ich an dem Projekt: Es belegt, dass Museen nicht „Zuckerhäubchen“ für die Elite sind, sondern dass es einen Bedarf ganz weit unten für eine solche Einrichtung gibt, der sich artikuliert, indem die Leute es einfach selber machen.
Das mag ich an dem Projekt: Es belegt, dass Museen nicht „Zuckerhäubchen“ für die Elite sind, sondern dass es einen Bedarf ganz weit unten für eine solche Einrichtung gibt, der sich artikuliert, indem die Leute es einfach selber machen.
Zurück zu den Architekten, die Sie ausstellen: Einige sind international bekannt, allen voran Pritzker-Preisträger Wang Shu. Doch fast keiner von ihnen baut im Ausland. Weshalb?
Wir leben in einer – scheinbar – globalisierten Welt. Wir in Deutschland mit unserem Selbstbild des Exportweltmeisters denken, es wäre wichtig, China irgendwelche Dinge zu verkaufen. Zunehmend müssen wir aber feststellen, dass es dort auch kreative Leute gibt, die mithelfen können, unsere Probleme zu lösen. Wenn man sich an- schaut, wer bei uns z.B. bei Museumswettbewerben eingeladen wird: Chinesische Architekten sind nie dabei, obwohl sie ungeheure Erfahrung gesammelt haben in den letzten Jahren. Ein Anliegen der Ausstellung ist durchaus zu zeigen: In China könnte es Konzepte geben, die den bei uns gängigen neue Aspekte hinzufügen.
Wir leben in einer – scheinbar – globalisierten Welt. Wir in Deutschland mit unserem Selbstbild des Exportweltmeisters denken, es wäre wichtig, China irgendwelche Dinge zu verkaufen. Zunehmend müssen wir aber feststellen, dass es dort auch kreative Leute gibt, die mithelfen können, unsere Probleme zu lösen. Wenn man sich an- schaut, wer bei uns z.B. bei Museumswettbewerben eingeladen wird: Chinesische Architekten sind nie dabei, obwohl sie ungeheure Erfahrung gesammelt haben in den letzten Jahren. Ein Anliegen der Ausstellung ist durchaus zu zeigen: In China könnte es Konzepte geben, die den bei uns gängigen neue Aspekte hinzufügen.
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